Natura kannte ich bereits aus einem Video von einem Jahr vorher, bevor sie mir in Golegã 2021 erneut empfohlen wurde. Eigentlich suchte ich eine außergewöhnlich große, farbige, gut ausgebildete und bereits gekörte Stute mit deutlichem Dressurtalent und idealerweise schon von einem Spitzenhengst gedeckt – ein nahezu unmögliches Gesamtpaket. Natura erfüllte diese Kriterien damals noch nicht, aber ihr Auftreten machte mich neugierig. Als Pedro Carvalho sie mir im Trubel des Festes vorstellte, beeindruckte sie sofort: Zum ersten Mal in einer Reithalle, umgeben von Hengsten und all dem typischen Trubel, zeigte sie sich völlig souverän und unerschrocken. Dazu kamen überdurchschnittliche Bewegungen und eine solide Grundausbildung. Beim späteren Besuch im Heimatstall bestätigte sich mein Eindruck, und so entschied ich mich für sie. In Portugal wurde sie noch gekört und von dem vielversprechenden Hengst Liege das Lezírias, ein Escorial-Sohn, besamt, ehe sie im Mai 2022 in bestem Zustand bei uns ankam.

Von Beginn an präsentierte sich Natura als elegante, große und sehr leistungsbereite Stute, deren Bewegungen eher an die der Warmblüter erinnern,  im Hals-Kopf-Bereich eher fest, aber stets gutmütig, lernwillig und engagiert. Sie ließ sich schnell in den Alltag integrieren und entwickelte beim Reiten eine beeindruckende Kondition und Freude am Vorwärts. Erste Trainings in fremder Umgebung nahm sie extrem gelassen – vom Hängerfahren bis zur vollen Reithalle. Ihre frühen Auftritte in Dressurpferdeprüfungen verliefen souverän, teils mit sehr guten Platzierungen und Noten und trotz geringer Routine zeigte sie sofort Turniercoolness, die ich so noch bei keinem meiner Pferde erlebt hatte.

Ein wichtiger Abschnitt war die Geburt ihrer Tochter Tapa. Trotz der erstmaligen Mutterschaft meisterte sie alles geduldig und liebevoll und entwickelte sich zu einer wundervollen, großzügigen Mutter. Nach dem Absetzen des Fohlens fand sie schnell zurück in die Arbeit, reifte körperlich weiter und überraschte bald mit Ausbildungsfortschritten und ersten Platzierungen in L-Dressuren, teils nach nur wenigen Wochen Training. Ihre Arbeitseinstellung blieb konstant positiv – eher übermotiviert, aber immer bereit, mitzudenken und zu lernen.

Im weiteren Verlauf entwickelten sich ihre dressurmäßigen Grundlagen stetig weiter: Übergänge wurden geschmeidiger, der Außengalopp festigte sich, Seitengänge wurden sicherer. Die ersten fliegenden Wechsel waren zwar noch mit Spannung verbunden, aber insgesamt schon verstanden. Parallel entdeckte sie auch Freude am Springen, anfangs etwas wild, dann zunehmend kontrollierter und flüssiger. Auch die Kandare nahm sie bereitwillig an, und man kann so doch noch präzieser Einfluss nehmen.

Mit wachsender Kraft wurde die Dressurarbeit immer anspruchsvoller: erste Piaffe-Tritte, beginnende Passage, ein kraftvoller Mitteltrab, Pirouettenansätze und abrufbare Kadenz im Trab. Diese Phase macht akutell enorm viel Spaß – ihre natürliche Energie und ihre Begeisterung fürs Schweben wird immer schöner. Auch Fotografin Silvia Stoib begleitete uns mehrfach und freute sich als Besitzerin von Naturas Tochter Tapa besonders über die Fortschritte.

Neben der Dressur arbeiten wir vielseitig, wie mit allen unseren Pferden,  so probierten wir weitere Herausforderungen aus, beispielsweise die Rinderarbeit, die sie soweit ohne Angst, aber noch ohne perfektes Sortiergeschick meisterte. Beim Arbeiten an Working-Equitation-Hindernissen zeigt sie Neugier, etwas Zögern und trotz ihrer Größe eine gewisse Geschmeidigkeit.

Ihre Vorstellungen auf Dressurturnieren kam 2025 etwas zu kurz, da wir mit den anderen beiden Worker-Stuten besonders viel unterwegs waren. Darum hatte ich sie für eine Richterprüfung für die neuen Working-Equitation-Richter mitgenommen, um sie mal wieder auswärts zu reiten. Sie hat es dort so prima gemacht, dass wir sie kurzerhand beim Ostbayern-Cup nachgenannt haben. Und so folgte hier in 2025 der absolute Höhepunkt bei ihrem ersten Working-Equitation-Turnier Klasse A gewann sie an der Seite von Lucca völlig überraschend die Gesamtwertung, mit über 70 % in der Dressur. Für ein Erststart-Pferd, in großer Arena und mit einer neuen Reiterin, war das ein bemerkenswerter Erfolg.

Heut steht Natura für mich für eine seltene Kombination aus Größe, Ausdruck, Leistungsbereitschaft, super Raumgriff und innerer Ruhe. Sie ist manchmal übereifrig, manchmal etwas eigenwillig und introvertiert, aber immer mit Herz bei der Sache. Ihre Entwickung - von der jungen talentierten Stute aus Portugal, bis zur vielseitigen, erfolgreichen Partnerin im Reitsport aber auch als Zuchtstute - erfüllt  mich mit Freude und macht neugierig auf alles, was noch kommt.